Informationstechnologie und Informationsrecht

AutoreWilhelm Steinmüller
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@1. Annahmen und Voraussetzungen

Da es um die soziale Bewältigung des derzeitigen technischen Wandels stehen einige Annahmen über die informatlonstechnologle und Ihre Entwicklung am Anfang (1.1). Sie führen zur Frage nach den methodischen Voraussetzungen eines Klassifikationsversuchs (1.2).

@@1.1. »Technische« Annahmen

Warum Ist es notwendig, technische Annahmen voranzustellen, informationstechnologien sind zunächst, wie alle Technologien, Innerhalb bestimmter Grenzen »Hilfsmittel« für Von Menschen gesetzte Zwecke. Sie sind »Werkzeuge« Im analogen Sinn,

Diese Worte sind ursprünglich dem Bereich der Arbeit entnommen; gleichwohl können sie mit gebotener Vorsicht analog auch für den geistigen Bereich benutzt werden, wenn also Gleichheit und Unterschiedlichkeit zur bisherigen Wortverwendung deutlich werden.

Denn es gibt charakteristische Unterschiede zwischen der Maschine für körperliche Arbelt und der »Maschine« für geistige Arbelt. Nicht der Computer z.B. Ist das eigentliche Werkzeug, sondern das Programm, das einen Ausschnitt aus der geistigen Arbelt In formale Anweisungen umsetzt.

Die Analogie gilt auch für die anderen in diesem Zusammenhang verwandten Begriffe, wie »technisch«, »Maschine«, »Technologie«, »Automation« usw. Für unsere Zwecke Ist es übrigens nicht wichtig, zwischen »Technologien«Page 56 und »Techniken« zu unterscheiden; darum ist auch »technisch« i.w.S. gebraucht.

Werkzeuge« haben jedoch verschiedene Wirkungsweisen: Ein Hammer verstärkt die menschliche Hand auf eine andere Weise als eine Säge; ähnlich bei geistiger Arbeit: Ein Bleistift verstlrkt das menschliche Denkvermögen anders als eine Uhr oder ein Taschenrechner, und sie alle können in ihrer Spezifität für die verschiedensten Zwecke eingesetzt werden: die Verwirrung ist groß,

Da es obendrein recht zahlreiche Informationstechnologien zu geben scheint, und offensichtlich noch viele hinzukommen werden, aber ihre Auswirkungen relativ unbekannt oder kontrovers sind, versucht man sich zu orientieren. Dafür stehen verschiedene Ansätze zur Wahl (1.1.1). Die weitere technische Entwicklung ist mit zu berücksichtigen (1.1.2); soziale Reaktionen würden sonst zu spät kommen. Nur vor einer falschen Hoffnung ist zu warnen: Die technisch mögliche Aufhebung destruktiver Arbeitsteilung ist ihrerseits ambivalent (1.1.3).

1.1.1 Klassifikationsversuche

Bei informationstechnologien denkt man dabei meist zunächst an die »neuen Medien«, wie Bildschirmtext, Satellitenfernsehen und anderes. Aber selbstverständlich sind auch die »alten Medien« Druck, Telefon, Film, Funk »technische« Erweiterungen menschlicher Kommunikation, und ebenso »der Computer« (genauer: seine Programme) eine technische Nachahmung menschlichen Entscheidungsverhaltens, Eine Vielfalt neuerer Entwicklungen kommen hinzu: Büroautomation, Satellitenfernsehen, Mikroprozessoren -um nur wenige zu nennen. Wie Ordnung in das beginnende Chaos bringen, (1) Ein »historischer« Ansatz bietet sich an. offensichtlich verläuft nämlich zur Zeit ein Prozeß der Annäherung, Verbindung und Verschmelzung bisher getrennter Stränge von Informationstechnologien:

- der »alten Medien«,

- der »Datenverarbeitung« (Computer, Mikroprozessor),

- der »TextVerarbeitung« (Bürotechniken und »mittlere Datentechnik«),

- der »alten« Nachrichten- und der »neuen« Telekommunikationstechnik (Schmal- und Breitbandkommunikation: Telefon-, Telex-, Dätex-Netz; Breitbandkabel, Glasfaser Licht- und Mikrowellenfunk; Satelliten),

- und eine Reihe weiterer, z.T. ergänzender, z.T. selbständiger informationssammelnder und -speichernder Techniken (Sensoren, Rezeptoren, Drucker, Kopierer, zahlreiche Speichermedien),

- der »neuen Medien« die zumeist aus Kombinationen obiger Technologien bestehen (z.B. Tele-, Kabel- Bildschirmtext),

Nur ist dieser Anzatz für unsere Zwecke wenig brauchbar: Die historische Entstehung verschiedener Informationstechnologie-Familien sagt zu wenig aus über ihre spezifische Leistungsfähigkeiten.

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(2) Es ist für diese weitere Untersuchung auch wenig ergiebig, die Fülle weiterer technischer Klassifikationen, die sich in der Literatur finden - am bekanntesten sind die Untersuchungen der »KtK-Kommission der Bundesregierung« geworden-, im einzelnen zu analysieren. Sie alle haben zwei Dinge gemeinsam: ihre fehlende theoretische Begründung und (darum) ihre mangelnde Unzulänchiigkeit für die praktische Folgenabschätzung. Wichtige Phänomene werden übersehen, Systemzusammenhänge bleiben unberücksichtigt, Folgen sind falsch gewichtet.

(3) Erfolgversprechender erscheint es, dort anzufangen, wo die technische Entwicklung ebenfalls ihren Anfang nimmt; bei der Ersetzung und verstär-kung der Phasen menschlicher Informationstätigkeit durch »Maschinen«. Wie früher schon einmal dargelegt wurde, kann geistige Arbeit als Informationsverarbeitungsprozeß beschrieben werden, der sich in unterscheidbare Phasen gliedert (der Informationssammlung, -Speicherung, -Veränderung usw.), die nach- oder nebeneinander, ggfs. iterativ, durchlaufen werden, bis das gewünschte Ergebnis (wiederum eine Information, z.B. eine Entscheidung) gewonnen ist. Bei Durchsicht der Informationstechnologien ergab sich, daß sie alle einen (oder mehrere) Teilprozess(e) der Informationsverarbeitung »maschinell« substituieren, so daB sich eine »Phasenmatrix der Informationstechnologien« bilden läßt. In verbaler Darstellung:

Es gibt Informationstechnologien der

Datenerfassung: Geräte, die Informationen sammeln und technisch (»codiert«) aufnehmen; nicht nur Photo- und Telefonapparat, sondern auch Ausweis-und Schriftleser bei Unternehmen, Banken und Post; Datentelefone; Monitore in Fabriken und sicherheitsemfindlichen Bereichen; Sensoren, Rezeptoren, Mikrofone und andere »künstliche Sinne«.

Hierher gehören auch die Technologien der Dateneingabe, die die spezielle Mittlerfunktion einer »Schnittstelle« zwischen Mensch und Informationsmaschine wahrnehmen, also menschliche Information zu maschinenverar-beitbaren Daten umwandeln und ins technische System eingeben; wie zahlreiche der eben genannten Erfassungstechnologien, aber auch Lochkarten-stenstanzer, Bildschirmgeräte, u.a.

Datenspeicherung, Geräte, die Informationen codiert aufbewahren; 'so wie früher Bücher, Filme-, Bänder, Schallplatten, jetzt zusätzlich (Daten-) Band-und Platt enger äte, Mikrofilme, Laser-, Text- und Bildplatten, andere Laserund chemische Speicher, und vieles andere.

Datenvemielfältigung: Gerate, die codierte Informationen multiplizieren; z.B. Kopierer; aber auch Drucker, Telefon, Telex, Datex sind dazu geeignet.

Datenveränderung: Geräte, die Daten- manipulieren (sortieren, umstellen, logisch verändern) können: Computer, Taschenrechner, Mikroprozessoren. Sie können: als einzige Informationstechnologie auch menschliches Entscheiden simulieren, dadurch andere Technologien steuern und kontrollieren (was siePage 58 zur Steuertechnologie bei Technikvetbunden macht), so daß mit ihrer Hilfe die ganze Breite menschlicher Informationsverarbeitung (mit Ausnahme des pragmatischen Aspekts) wenigstens im Prinzip abgedeckt werden kann.

Datenweitergabe: Geräte, die Informationen codiert übertragen; man nennt diesen Zweig der Informationstechnologien die »Nachrichtentechnik« und faßt sie mit ihrem Zubehör zur Gruppe der »Kommunikationstechnologien«, neuestens auch (a maiore) als »Telekommunikation« bezeichnet: Telefonnetz, Bildübertragungssysteme, Datennetze, Funk (einschließlich Satelliten), Glasfaser- und andere Breitbandkabel gehören hierher; vor allem ist das (bereits digitalisierte) DISPÖL-System der Sicherheitsorgane und der öffentliche Datex-P-Dienst der Bundespost zu nennen.

Datenausgabe: Geräte, die Daten aus dem technischen System so herausgeben, daß der Mensch sie wieder sinnlich wahrnehmen kann; hierzu zählen nicht nur Radio und Fernseher, sondern auch sonstige Bildschirmgeräte; wieder der Telefonapparat, ferner Laserdrucker, Taschenmonitore, (mit Stimmgeneratoren) »sprechende« Computer u.a.

1.1.2 Weitere »technische« Entwicklung

Fünf Tendenzen bestimmen offensichtlich die derzeitige technische Entwickleng und missen darum auch bei der Folgenabschitzung zugrundegelegt werden: ein erst am Anfang stehender Innovationsschub, weiter fortschreitende Miniaturisierung, verstärkte Kombination und Integration der verschiedenen Technologien, Rationalisierung der Software-Produktion:

(1) Innovation: Derzeit entstehen fortwährend neue informationstechnologien; z.B. Ausweisleser (zur vollständigen Erfassung von Belegschafts- (maschinenlesbarer Werksausweis) und Staatsangehörigen (maschinenlesbarer Personalausweis); (holographische) optoelektronische und chemische Speicher unvorstellbaren Fassungsvermögens; Telekommunikation per Lichtwel-lenmodulation; nicht-klassische Rechnerarchitektuten. Es hat den Anschein, als seien ein GroEteil der Erfindungen zur Maschinisierang der geistigen Arbeit noch gar nicht gemacht.

(2) Kombination: Immer mehr werden Informationstechnologien miteinander verbunden und diese verbindungen noch einmal kombiniert; die resultierenden Technikkonfigurationen sind ihrerseits erweiterbar; z.B.

- Text Verarbeitung = konventionelle Schreibmaschine + Kleincomputer + Kleinspeicher (+ Drucker + Telekommunikation + ... + ...)

- Bildschirmtext = Telefon + Fernsehschirm + verteilungsgroßcomputer + ...

- Telekopie/Telefax = Telefon + Copierer

- Laserplatte (als Video oder Textplatte) = versiegelte Kleinschallplatte + Mikroprozessor + Lasereingabe- bzw, -abspielvorrichtung.

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Besonders Augenmerk verdient die Kombination der Daten- und der Nachrichtentechnik (frz. telematique = telecommunication + informatique; engl. compunication = Computer + (tele)cotnmunication); neuerdings verbunden mit Textvertrbeitung in Richtung auf den künftigen »Kommunikationsarbeitsplatz« im - demnächst »weltweit« zerstreuten und/oder als Heimarbeit -organisierten - Büro.

(3) Miniaturisierung: daumennagelgroße »Chips« (= Mikroprozessoren = Vrmikroskopisch kleine Computer) können heute mehr als ein...

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