Zum Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

AutoreKlaus Lörcher
Pagine189-194
Zum Beitritt der Europäischen Union
zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
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1. In einer seiner letzten wissenschaftlichen Abhandlungen hat sich BRUNO
VENEZIANI (2011) mit den Fragen der Interpretation durch den neu geschaf-
fenen Art. 152 AEUV auseinandergesetzt, in dem die “Rolle der Sozialpartner
auf Ebene der Union” ausdrücklich anerkannt und die Union zur ihrer Förde-
rung verpichtet wird. Es handelt sich dabei um eine der wenigen wesentlichen
Neuerungen, die zunächst durch den Verfassungsvertrag, dann durch den Ver-
trag von Lissabon in das EU-Normenwerk aufgenommen wurden. Bei seiner
Interpretation bezieht sich VENEZIANI auch auf die Europäische Menschen-
rechtskonvention (EMRK oder konvention). Sie hat in den letzten Jahren eine
neue soziale Dimension erhalten und zwar aufgrund der neuen Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR oder Gerichtshof).
Dieser hatte mit dem einstimmig ergangenen Grundsatzurteil der Großen Kam-
mer vom 12.11.2008 (Demir und Baykara) neue Maßstäbe gesetzt. Zum einen
hat dieses Urteil die völkerrechtsfreundliche Auslegungsmethode für die EMRK
systematisiert, zum anderen hat es die bisherige (eher zurückhaltend bis negativ
geprägte) Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 11 EMRK (Koalitionsfrei-
heit) aufgegeben und das Recht auf Koalitionsverhandlungen dem Schutzbe-
reich dieses Artikels unterstellt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat
dann die Dritte Sektion in ihrem Urteil vom 21.4.2009 (Enerji Yapi-Yol Sen)
auch das Streikrecht – sogar für Beamtinnen und Beamte – ebenfalls als durch
Art. 11 EMRK geschützt angesehen (D, 2011). Nicht zuletzt drückt
sich diese geänderte Haltung auch in anderen Entscheidungen des EGMR aus
und eröffnet weitere Anwendungsfelder (B, L, 2010). Auch wenn
hier nicht der Raum ist, sich mit allen damit zusammenhängenden materiellen
Fragen zu befassen, soll hier ein Aspekt angesprochen werden, der bisher nicht
sehr ausführlich behandelt wurde: der Beitritt der EU zur EMRK.
I. Der Kontext
2. Durch den Vertrag von Lissabon wurde die rechtliche Beitrittsverpich-
tung in Art. 6 Abs. 2 EUV aufgenommen. Damit gibt es endlich die vom EuGH
in seinem Gutachten (2/1994) schon seit ca. 15 Jahren geforderte Rechtsgrund-
lage. Jedoch darf diese Verpichtung nicht darüber hinwegtäuschen, dass zur
Verabschiedung Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist (Art. 218 Abs. 8 S. 2

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